Was passiert, wenn eine Uhrenmarke im Schatten eines Giganten entsteht – und sich dann entscheidet, ihr eigenes Erbe zu hinterlassen? Die Geschichte von Tudor ist eine Geschichte von Präzision, Rebellion und stillem Selbstvertrauen.

Wem gehören Tudor-Uhren?

Um die Geschichte von Tudor zu verstehen, müssen wir mit einem Namen beginnen, der in der Uhrengeschichte eine bedeutende Rolle spielt: Hans Wilsdorf, der Gründer von Rolex. 1926 ließ Wilsdorf die Marke „The Tudor“ eintragen, mit der Vision, Uhren anzubieten, die den Qualitäts- und Zuverlässigkeitsstandards von Rolex gerecht werden – allerdings zu einem erschwinglicheren Preis.


Wilsdorf wollte in seinen eigenen Worten „eine Uhr schaffen, die unsere Vertreter zu einem günstigeren Preis als unsere Rolex-Uhren verkaufen können und die dennoch den Standards der Zuverlässigkeit entspricht.“


Tudor gehört Rolex, genauer gesagt der Hans-Wilsdorf-Stiftung, der auch Rolex gehört. Doch von Anfang an war Tudor nie als „Budget-Rolex“ gedacht – sie sollte eine andere Art von Uhr für einen anderen Kundenkreis sein.

Geschichte der Tudor-Uhren: Ursprünge von 1926 bis 1949

Die ersten Tudor-Uhren erschienen in den 1930er Jahren. Frühe Modelle trugen den schlichten Namen Tudor auf dem Zifferblatt, oft in eleganter Schreibschrift. Diese Uhren waren kleiner, erschwinglicher und richteten sich an ein breiteres Publikum als die exklusiveren Modelle von Rolex.


Bis 1946 war die Marke so weit gewachsen, dass Montres Tudor SA offiziell gegründet wurde. Rolex unterstützte Tudor weiterhin mit robusten Gehäusen, Kronen und Qualitätskontrollen und verwendete gleichzeitig Schweizer Uhrwerke von Drittanbietern, um die Kosten niedrig zu halten.


Die Identität der Marke nahm Gestalt an. Das Logo entwickelte sich von der Tudor-Rose zu einem Schild, das Stärke und Zuverlässigkeit symbolisierte. Die Transformation war mehr als nur visuell – sie spiegelte das wachsende Selbstbewusstsein der Marke wider.

Leistung auf Militärniveau

Tudor hat sich seine Sporen nicht im Sitzungssaal verdient, sondern im Feld.


In den 1950er Jahren übernahm die französische Marine (Marine Nationale) Tudor-Uhren als offizielle Ausrüstung für ihre Taucher. Die robusten Submariner-Modelle von Tudor, die 1954 auf den Markt kamen, erlangten schnell den Ruf, extremen Unterwasserbedingungen standzuhalten.


Diese Uhren waren keine Luxusstücke, die in Sammlertresoren verstaut wurden – sie waren Werkzeuge für Soldaten, Taucher und Abenteurer. Die Nordgrönland-Expedition in den 1950er Jahren verließ sich bei ihren harten Arktis-Missionen auf Tudor-Uhren. Kurz gesagt: Tudor wurde für den Einsatz gebaut.

Der Aufstieg der Ikonen

Der historische Katalog von Tudor ist voller Referenzen, die Sammler heute bewundern:


  • Tudor Submariner 7922 (1954): ihre erste Taucheruhr

  • Tudor „Monte Carlo“ Chronographen (1970er): bekannt für ihre kräftigen, farbenfrohen Zifferblätter

  • Tudor Prince Date+Day : Ein Klassiker mit Wochentags- und Datumskomplikationen

Obwohl diese Uhren von den technischen Standards von Rolex inspiriert waren, begannen sie ein Eigenleben zu entwickeln. Die Designs wurden mutiger, die Gehäuse klobiger, die Farben verspielter. Tudor lernte, mit seiner eigenen Stimme zu sprechen.

Die Comeback-Ära

Nach einer ruhigeren Phase in den 80er und 90er Jahren erlebte Tudor in den 2010er Jahren eine fulminante Rückkehr.


Mit der Einführung der Heritage Black Bay und Pelagos entdeckte Tudor seine Vintage-Seele wieder – und erfand sie mit modernen Materialien und Uhrwerken neu. Diese Uhren zollten der Vergangenheit Tribut, ohne darin stecken zu bleiben. Sie waren mutig, robust und bereit, getragen zu werden.


Es folgten eigene Uhrwerke, die bewiesen, dass Tudor nicht länger von Kalibern Dritter abhängig war. Heute bauen Modelle wie die Black Bay 58, die Pelagos FXD und die Chrono auf Tudors Tradition der Werkzeuguhren auf.


Tudor betrat auch die Welt des Motorsports und der Abenteuer und arbeitete mit Markenbotschaftern wie David Beckham, Jay Chou und dem Alinghi Red Bull Racing Team zusammen. Die Botschaft war klar: Tudor ist nicht die Rolex-Alternative Ihres Großvaters. Es ist eine Marke, die für mutige Schritte gemacht ist.

Albin Andersson